Meilensteine: 1923/24 bis 1945
1923/24
In den 1920er Jahren steigen viele Schaden- und Unfallversicherer in neue Geschäftsbereiche ein und entwickeln sich so zu "Kompositversicherern". Unter dem Dach der Gothaer kommt es dabei allerdings zu Konflikten und Überschneidungen zwischen den Schwester-Versicherungen:
So gründet die Gothaer Feuerversicherungsbank 1923 die "Gothaer Transportversicherungsbank AG", die 1924 am Kölner Kaiser-Wilhelm-Ring ihr erstes Geschäftsgebäude bezieht. Als "Gothaer Kraftfahrzeug- und Transportversicherungsbank AG" (kurz: Kraftbank) steigt sie in das Kraftfahrgeschäft ein, während die Muttergesellschaft Feuerversicherungsbank ab 1931 das allgemeine Unfall und Haftpflichtgeschäft aufnimmt.
Allerdings gründet 1924 auch die Gothaer Lebensversicherungsbank mit der "Gothaer Allgemeine Versicherungsbank" eine neue Tochter für Unfall-, Haftpflicht- und Kraftfahrversicherungen, an der zunächst auch die Gothaer Feuer beteiligt ist. Schadensversicherungen sind also doppelt im Programm, sodass Feuerversicherungsbank und Lebensversicherungsbank sich gegenseitig Konkurrenz machen.
1925: Gothaer ist erste deutsche Versicherung mit Lochkarten
1934
Die Feuerversicherung fusioniert 1934 mit der Bremer Spiegelglas-Versicherungs-Gesellschaft a.G. und erweitert so das Leistungsangebot aus dem Hause Gothaer. Damit schließt man sich mit einem Gegenseitigkeitsversicherer zusammen, der "mit Recht den Ruf eines gediegenen, sehr gesicherten Unternehmens" genießt.
Zwischen der Bremer Spiegelglas-Versicherung, die 1865 in Bremen gegründet wurde, und der Feuerversicherung besteht seit 1924 eine Arbeitsgemeinschaft. Da ihr damals insbesondere in den großen Städten die Vertreter fehlen, verkaufen von nun an auch Gothaer-Agenten die Glasversicherung der "Bremer".
Der Vorschlag, die "Bremer" auf die Feuerversicherung zu verschmelzen, stammt vom Direktor der Spiegelglas-Versicherung Wilhelm Massolle. Er leitet jetzt von Bremen aus die Geschäfte der neuen Glasabteilung der Gothaer und wird in den Vorstand berufen. 1935 vermeldet die Gothaer neue und teilweise gesenkte Beitragstarife für Glasversicherungen.
"Gothaer Feuer Versicherungsbank auf Gegenseitigkeit" heißt die Feuerversicherung seit 1934 und betont damit die Marke "Gothaer Feuer".
1938: "Ausschaltung" von jüdischen Mitarbeitern und "Arisierungen"
1945
"Achtung, Gotha! Feindflüge in großer Anzahl auf die Stadt!" Um die Mittagszeit des 6. Februar 1945 alarmiert diese Meldung den Betriebsluftschutzleiter der Gothaer Feuer, Direktor Karl Ketter. Jetzt ist Eile geboten, denn es besteht: "Höchste Luftgefahr!"
Mitarbeiter sowie Passanten rennen in die Keller und Schutzräume an der Bahnhofstraße. Dann fallen die Bomben. Direktor Ketter erinnert sich später: "Es ging Schlag auf Schlag und man hatte den Eindruck, als ob das ganze Bankgebäude schwankte."
Das in der Bahnhofstraße stehende Gebäude der Lebensversicherung bekommt keinen direkten Treffer ab, aber das Hauptgebäude der Gothaer Feuer wird getroffen: Die Mitte der Hausfront stürzt ein und verschüttet die darunter liegenden Schutzräume. 46 Menschen sterben. Auch 29 Mitarbeiter der Gothaer Feuer sind unter den Toten, darunter Kollegen aus Köln, Dortmund und Hamburg, die vor den Bombenangriffen ins ruhigere Gotha geflohen waren.
Unzerstört bleiben hingegen die Lochkarten- und Adrema-Anlage der Feuerversicherung, die einen Notbetrieb einrichtet. Die Versicherung muss schleunigst die Beiträge einziehen, um die Schäden decken und Gehälter bezahlen zu können.
1945
Anfang April 1945 besetzen die Amerikaner Gotha, Anfang Juli übernimmt die Rote Armee Thüringen und damit auch Gotha. Einige Vorstände der Gothaer Versicherungsgesellschaften werden von den Alliierten vom Dienst suspendiert oder kommen in Kriegsgefangenschaft. Vielen Mitarbeitern wird gekündigt, teils in Ermangelung von Arbeit, teils weil die Gothaer die Gehälter nicht mehr bezahlen kann.
Thüringen ist jetzt Teil der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), der Betrieb von Versicherungsunternehmen ist untersagt. Stattdessen entstehen staatliche Versicherungsanstalten mit Monopolcharakter.
Nach und nach wird klar: Der Betrieb privater Versicherungsgesellschaften wird in der Sowjetischen Besatzungszone nicht mehr möglich sein. Bereits im Herbst 1945 schaffen die Mitarbeiter wichtige Unterlagen aus Gotha in zahlreichen Transporten heimlich über die "grüne" Zonengrenze nach Göttingen in die britische Besatzungszone. Im November 1945 gründet die Lebensversicherungsbank hier offiziell eine Zweigniederlassung.
Am 5. März entscheidet die Feuer-Versicherungsbank: "Da ein Weiterarbeiten in Thüringen unmöglich ist…, beschließen Aufsichtsrat und Vorstand gemeinsam: Der Sitz der Bank wird nach Köln verlegt." Damit endet die nunmehr 125-jährige Geschichte der Feuerversicherung in Gotha.